Montag, 16. Oktober 2017

Setúbal - Stadt der Delfine und Plastikblumen

Bisher habe ich es eher für ein Gerücht gehalten, dass das Wetter in Portugal tatsächlich auch schlecht sein kann. Aber an diesem Morgen hängt Nebel über dem Dorf, so dicht, dass man ihn fast schon Regen nennen könnte. Die angekündigte Schlechtwetter-Front scheint tatsächlich zu kommen. Da hilft nur Flucht!
Mit dem Bus geht es nach Sintra, dann mit dem Zug weiter nach Lissabon-Oriente. Mein Plan scheint aufzugehen: in Lissabon ist es wärmer und die Sonne kämpft sich langsam durch die Wolkendecke. Ich steige in den Bus nach Setubal, einem Ort, der bei den Touristen vor allem wegen der Bootstouren beliebt ist. Schon die Fahrt fühlt sich nach Seefahrt an: Über die kilometerlange Brücke Ponte Vasco da Gama (übrigens die längste Brücke Europas!) geht es auf die andere Seite des Tejos. Die moderne Skyline von Oriente verschwindet langsam im Nebel. Links Wasser, rechts Wasser. Gelegentlich ein Angler auf einem Boot, in der Ferne größere Schiffe. Und auf der anderen Seite: eine andere Welt. Kleine Fischerboote treiben vor dem Ufer auf dem Wasser. Trockene Wiesen, einzelne Häuser. Die Stadt scheint plötzlich unendlich weit weg zu sein, dabei habe ich immer noch den Geschmack vom Kaffee auf der Zunge, den ich vor wenigen Minuten im riesigen Einkaufszentrum auf dem Expo-Gelände getrunken habe.

Eine Stadt voller Kontraste

Wo zur Hölle bin ich hier gelandet? Das ist mein erster Gedanke, als ich aus dem Bus steige. Wahrscheinlich haben Touristen, die mit dem Zug anreisen, einen besseren ersten Eindruck von der Stadt. Aber ich habe nun einmal nicht den Zug genommen, sondern bin mit dem lokalen Busunternehmen unterwegs. Genau dieses Busunternehmen setzt mich nun mitten in einer Halle ab, die aussieht, als könnte sie jeden Moment einstürzen. Ich suche nach dem nächsten Ausgang, nur um festzustellen, dass die Straße keinen besseren Eindruck macht. Die Häuser sind nur teilweise bewohnt, der Putz ist von den Wänden gebrochen und kaum ein Mensch ist unterwegs. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin.
Nach einigen Metern finde ich immerhin eine größere Straße, die ich überquere. Ich laufe durch ausgestorbene Gassen mit verfallenen Häusern, biege einige Male ab... und stehe plötzlich im Stadtzentrum. Frisch gestrichene, bunte Häuser, mit Fähnchen und Blumen geschmückte Straßen, kleine Läden. Vor den Cafés sitzen kaffeetrinkende Portugiesen, der Obsthändler sortiert seine Auslage und aus einem Geschäft dringt Musik.


Die Schaufenster sind liebevoll dekoriert. In den Vororten von Setúbal gibt es Einkaufsmeilen mit allen gängigen Ketten, aber in der Altstadt fehlt davon jede Spur. Hier ist jedes Geschäft ein Unikat - und beinah jede der bunten Hauswände mit Plastikblumen dekoriert! In dieser Stadt scheinen sie überall zu sein: In Blumentöpfen, in liebevoll bemalten Holzpaletten, als Blumen-kette um Bäume gewickelt, manchmal stilvoll, manchmal kitschig, aber immer bunt.
Dann, neben diesen kleinen Häuschen, plötzlich wieder verfallene Gebäude. Straßen, undbewohnt aussehen und leerstehende Läden. Ein paar Meter weiter kehrt die farbenfrohe Idylle zurück.

Die Kontraste prägen Setúbal - und haben dafür gesorgt, dass ich immer noch nicht weiß, was ich von dieser Stadt halten soll. Hier ist das kleine Öko-Café direkt neben der Industrieanlage, neben den Häuserruinen hat eine moderne Bar eröffnet. Am Ufer kann man wunderbar entlang laufen, die Schiffe beobachten, sich an einem der kleinen Strandabschnitte sonnen oder in eine der Bars einkehren. Einen Jugendclub gibt es hier, ein Rockmusik-Café und eine Menge Kunst. Hier am Wasser ist die Stadt plötzlich jung, während sie in anderen Teilen verlassen und verfallen wirkt.

Die Delfine

Delfine spielen eine wichtige Rolle in Setúbal. Den hier, in der Sado-Mündung, leben einige der Tiere. Touristen können entsprechende Bootstouren buchen, um die Tiere zu beobachten. Aber auch in der Stadt wird man ständig an die Tümmler erinnert: Delfine in Malereien an Hauswänden, Delfine als Statuen auf beinah jedem größeren Platz. Delfine aus Stein, Delfine aus Metall. Bemalte Delfine. Selbst auf den Gullideckeln ist ein Delfin abgedruckt. Nur die echten Tiere bekomme ich bei meinem Ausflug nicht zu Gesicht: An diesem Tag werden keine Bootstouren angeboten. 

Eigentlich war es doch ziemlich schön hier, denke ich, während ich im heruntergekommenen Busterminal auf meinen Bus warte. Hier war ich nicht eine von hundert Touristen. Hier wird nicht jede Straßenecke herausgeputzt, um als Fotomotiv für asiatische Selfie-Jäger zu dienen. Und hier war das Wetter wesentlich besser als in meinem Dorf nördlich des Tejos! 

Für mehr Fotos von Setúbal wirf einen Blick in die Fotobox!

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