Freitag, 6. Oktober 2017

Station 1: Azenhas Do Mar - Leben und Alltag

Das Leben hier auf der Farm ist einfach: Die Wohnräume befinden sich in umgebauten Teilen des Stalls, mein Zimmer ist ein kleines Kämmerchen neben den Pferdeboxen und Küche und Wohnzimmer haben nicht einmal eine Tür, sondern sind zum Hof hin offen.
Gekocht wird auf dem Campingherd, das Wasser kommt über eine Pumpe aus einem Brunnen. Ist der Wasservorrat aufgebraucht, muss die örtliche Feuerwehr kommen und ihn auffüllen. Warmes Wasser gibt es nur durch Gas, Luxus wie einen Backofen oder eine Spülmaschine ist nicht vorhanden. Wir leben zu viert in diesem Teil der Farm, die Besitzerin wohnt in einem gesonderten Bereich mit eigener Küche. Wir Vier, das sind momentan eine Portugiesin, ihr kleiner Sohn, ein Brasilianer, der in Lissabon studiert und wie ich als Freiwilliger hier arbeitet, und ich. Hin und wieder gibt es Diskussionen über Dinge, die auf rätselhafte Weise aus dem Kühlschrank verschwinden, oder Gespräche, die im Englisch-Portugiesisch-Sprachchaos enden. Die meiste Zeit leben wir friedlich zusammen. 
Unser jüngster Mitbewohner, fast drei Jahre alt, hilft mir regelmäßig mit seiner Spielzeug- Schubkarre beim Stall Ausmisten... Sehr süß, aber wenig hilfreich! Verständigen können wir uns auch nicht, die einzigen portugiesischen Wörter, die ich beim Spielen mit ihm benutzen kann, sind ja, nein und gut gemacht. Manchmal braucht man gar nicht mehr. Zusammen lachen können wir trotzdem. 

Hier auf dem Hof zu wohnen, ist zwar weit von jeglichem Luxus entfernt, aber ich habe schnell gemerkt, dass man nicht besonders viel zum Leben braucht. Selbst die Farmbesitzerin lebt nicht in einem richtigen Haus, sondern in mehreren kleinen Holzhütten, die in Deutschland als Gartenhäuschen durchgehen können. Dieses einfache Leben hat mich von Anfang an wirklich beeindruckt, und tatsächlich auch erstaunt: Zuhause lebe ich in einem Haus, das vollgestopft mit Dingen ist, in einem vollgestopften Zimmer mit einem vollgestopften Kleiderschrank. Hier lebe ich im Stall und alles, was ich habe, passt in einen einzigen Rucksack, und es fühlt sich nicht an, als würde mir irgendetwas fehlen. 

Wirklich ungewohnt war anfangs vor allem eine Sache für mich: Die Ruhe. Der Hof liegt außerhalb des Dorfes, auf der Straße fahren nur selten Autos. Die nächsten Nachbarn sind einige hundert Meter entfernt. Abends, wenn niemand mehr unterwegs und die Arbeit auf dem Hof erledigt ist, dann kehrt die Stille ein. Von meinem Zimmer aus höre ich nur die Pferde, sonst nichts. Mittlerweile liebe ich es, abends im Wohnzimmer zu sitzen, den schnarchenden Hund neben mir zu streicheln, der sich im Schlaf auf den Rücken dreht und das halbe Sofa einnimmt, und zu hören, wie die Pferde ihr Heu kauen. Und es kann sehr beruhigend sein, kurz vor dem Einschlafen die Stuten schnauben zu hören. 

Landleben

Unser Dorf ist relativ groß und bunt gemischt: Einige große Neubauten stehen hier neben sehr vielen sehr einfachen Häusern. Fast jeder Bewohner hat einen Hund, und wenn ich an meinen freien Tagen Abends von der Bushaltestelle nach Hause laufe, dann fängt an jedem Gartentor ein anderer Hund an zu bellen, der dann die Hunde im Umkreis aufschreckt, bis irgendwann das gesamte Dorf nur aus Bellen besteht. Ein Hund liegt immer am Straßenrand, und an manchen Tagen wird er aggressiv und greift Fußgänger an. Wir haben ihn den dunklen Hund getauft und erschrecken ihn mit Jacken oder Handtüchern, wenn er uns zu nahe kommt. Seitdem hält er Abstand. 
Hier gibt es zwei Restaurants, zwei Cafés, eine Kirche, einen Supermarkt und eine Fleischerei, außerdem einen kleinen Marktplatz, eine Apotheke und einen Fischverkäufer, der auch Stühle und Besen verkauft. Dorfleben. Auf dem Weg zum Strand kommen mir hin und wieder Hühner entgegen, ein Schwein habe ich auch schon getroffen. 

233 Stufen bis zum Strand

Um zum Meer zu kommen, brauche ich zu Fuß nur wenige Minuten. Ich habe sogar verschiedene Strände zur Auswahl. Vor allem den wilden Strand, der in der direkten Nachbarschaft ist, liebe ich! Zwar liegt dieser unterhalb von Klippen und man muss erst einmal die 233 Stufen überwinden, um nach unten zu kommen, aber es lohnt sich! Hohe Felswände, angespülte Baumstämme, in der Ferne eine Bucht und der nächste Ort. Nur Sonntags findet man hier andere Badegäste, in der Woche sind höchstens einzelne Angler und hin und wieder ein Spaziergänger unterwegs. Wenn ich besonders viel Zeit habe, dann laufe ich kilometerweit den Strand hinunter, klettere über einige Steine und komme zu einem anderen Strand, der bei Surfern beliebt ist. 

Strand Nummer Zwei ist der kleine Strand im Nachbardorf Azenhas Do Mar. Hier ist man nie allein, aber der Ausblick ist traumhaft, es gibt ein kleines Steinbecken, in dem man schwimmen kann und das Eis im Restaurant oberhalb vom Strand ist unglaublich gut!


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