Sonntag, 10. Juni 2018

Station 9: Aljezur - Die Arbeit

Es ist ein wunderschöner Morgen, die Sonne scheint und eine Gruppe motivierter Menschen steht vor einem Zelt. "Heute Abend muss alles abgebaut sein."
Kein Problem. Wir sind viele Leute (acht Erwachsene, sieben Kinder), wie lange kann so etwas schon dauern?
Ich hatte mal wieder keine Ahnung...

Wie ich schon im ersten Beitrag zu diesem Projekt geschrieben habe, ist eine Jurte nicht bloß ein Zelt. Die Rede ist nicht von einigen Stangen und einer Plane, sondern einer ziemlich stabilien Konstruktion mit mehreren Schichten. 
Dazu stehen auch noch einige Möbel im Inneren, die als erstes aus dem Weg müssen. Es folgt stundenlanges Auseinander-Knoten, zusammenlegen und schleppen, bis irgendwann nur noch die Holzkonstruktion steht, die auch abgebaut wird. Zwischendurch muss alles auf Hänger geladen werden, sobald die Anhänger voll sind, müssen wir mit den Autos zum Lagerraum im Ort fahren, wo die Jurten nun so lange liegen werden, bis die Familien einen neuen Platz zum Leben gefunden hat. 
Am Ende werden noch die riesigen Wollmatten gereinigt, die die Jurte isolieren. Als ich nach dem Mittagessen zum ersten Mal auf die Uhr schaue, ist es 18:00 Uhr. Wie müde und schwitzig ich bin, ist mir gar nicht aufgefallen. Aber wir haben es geschafft: Die Jurte ist abgebaut. 



Bei der zweiten Jurte am nächsten Tag verstehe ich den Ablauf schon etwas besser. Promt werde ich aufs Zeltdach geschickt, um dort Seile zu lösen. Wir haben nicht ganz so viele Helfer wie am Tag zuvor, aber schaffen es trotzdem, alles an einem Tag abzubauen. 

Obwohl die Jurten nach zwei Tagen abgebaut sind, gibt es danach noch genug zu tun. Ich schleppe Möbel, Kartons und vor allem unfassbar viel Holz. Der Holzboden der Jurten muss natürlich auch abgebaut werden, und außerdem verdienen meine Gastgeber einen Teil ihres Geldes mit Holzverarbeitung und haben kurz vor ihrer Abreise große Mengen verkauft, die jetzt verladen und ausgeliefert werden müssen. Wie selbstverständlich helfen die Kinder mit. Zwischendurch gibt es auch immer wieder andere Aufgaben zu erledigen: Kartoffeln ausgraben, ein Huhn wieder einfangen, mit Kindern spielen. Aber obwohl ich an jedem Tag bis zum Abend beschäftigt bin, habe ich gar nicht das Gefühl zu arbeiten. Niemand zwingt mich, etwas zu tun, und niemand schaut auf die Uhr und spricht von Arbeitszeit. Es fühlt sich an, als würde ich Freunden helfen, und es macht mir Spaß. Vor allem habe ich das Gefühl, dass meine Hilfe wertgeschätzt wird. Und ich bekomme die Anerkennung der Jungs, die noch nie zuvor ein so starkes Mädchen gesehen haben...

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