Mittwoch, 4. Juli 2018

Station 10: Proença-a-Velha - Leben und Alltag

Ein kleines Dorf, ein langer, staubiger Weg. Ein Eisentor, ein weiterer staubiger Weg. Dann irgendwann eine kleine Farm. Nachbarn? Fehlanzeige. Aber nach trauriger Einsamkeit sucht man hier auch vergeblich.



Wie oft hört man Menschen sagen, dass sie glücklich sind? Seit ich hier bin, höre ich es mehrmals am Tag. Meine Gastgeber sind so unfassbar positiv und lebensfroh, dass negative Gedanken fast unmöglich sind.
Die Farm gehört einem russisch-britischen Pärchen, das seit sechs Jahren in Portugal lebt, aber außer mir wohnen noch zwei andere Menschen hier, die gerade auf der Suche nach ihrem eigenen Land sind. Außerdem haben meine Gastgeber einen riesigen Freundeskreis, und immer wieder kommen Freunde vorbei.

Bei einem Pfannkuchen-Frühstück mit einigen Freunden bringt ein Pärchen Kirschen mit und erzählt uns von den viel zu vollen Bäumen. Sie kommen nicht mit der Ernte nach und wissen gar nicht, was sie mit so viel Obst anfangen sollen. Wir laden uns kurzerhand selbst ein, um am nächsten Tag „ein paar“ Kirschen zu pflücken.
„Klar, kommt vorbei, pflückt so viel ihr wollt!“
Ein gefährliches Angebot.
Morgens um sieben startet ein Kirschen-Pflück-Kommando bestehend aus vier Leuten seine Mission, schmeißt das erstaunte Pärchen aus dem Bett und erntet in Rekordzeit 50 Kilogramm Kirschen. Anschließend haben wir sogar noch ein Frühstück serviert bekommen!

Das Schaf frisst meine Fußmatte!


Die Tiere auf der Farm können frei herumlaufen, nur die Schweine sind eingezäunt. Das größte Schwein (übrigens sehr verschmust) interessiert sich allerdings überhaupt nicht für den Zaun, sondern macht, was es will und taucht immer wieder an Orten auf, an denen man es am wenigsten erwartet.
Die restlichen Tiere können sich sowieso aufhalten, wo sie wollen, aber in der intensiven Hitze brauchen sie natürlich viel Schatten. Bäume bieten Schatten, oder Wohnwagen. Ja, ein Wohnwagen ist ein toller Schattenspender, das haben anscheinend alle Schafe und Ziegen gemeinsam beschlossen. Auf dem Grundstück gibt es genau einen Wohnwagen: Der, in dem ich lebe.

An meinem ersten Morgen wurde ich von lauten Geräuschen und heftigem Schaukeln geweckt. Als ich dann nach der Panik im ersten Moment nach draußen geschaut habe, habe ich die Tierherde gesehen. Die Hälfte liegt vor dem Wagen, die andere Hälfte darunter, und ständig stößt einer von unten gegen den Boden.
Und auch im Wohnwagen habe ich selten meine Ruhe, denn ich habe eine Mitbewohnerin. Eine schwarze Katze ist in der ersten Nacht durchs Fenster gesprungen und seitdem den Wagen zu ihrem Zuhause erklärt. Ich habe ihr nicht erlaubt, hier einzuziehen, sie hat es entschieden (und würde wahrscheinlich behaupten, sie erlaubt mir, den Wohnwagen auch zu benutzen). Weil ihr aber anscheinend der Platz neben mir im Bett zu klein ist, stört sie mich nicht weiter. Sie besetzt einfach das gesamte Doppelbett am anderen Ende des Wohnwagens.

Internet gibt es wieder einmal nur an bestimmten Orten, aber mit genügend Leuten und Tieren um sich herum kann man sich auch gut beschäftigen. Die Ziegenkinder zu beobachten ist manchmal besser als Fernsehen, zum Beispiel, wenn sie Fangen spielen, in die Schubkarre springen oder die Schafe mit der dicken Wolle als Trampoline benutzen. Nach einiger Zeit sind sie so zutraulich, dass sie nicht nur auf den Schafen, sondern auch auf mir herumklettern.

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